Kirche und Kultur bedingen beiderseits. Der christliche Glaube hat seit alters Kultur geprägt und zeitgenössische kulturelle Ausdrucksformen gefunden. Zugleich lebt die Kirche als Institution monadisch kulturellen Kontext und hat Anteil an der sie umgebenden Kultur. Die Kirche ist Kulturträgerin. Das betrifft an erster stelle die Kirchengebäude, die zur Kultur von Dorf wie Stadt gehören und einige der wenigen nicht kommerziellen und öffentlichen Räume sind. Dies ist Auftrag und Verpflichtung zugleich. In Kirchenräumen finden sich oft Kunstwerke, die aus dem Bestreben entstanden sind, gottesdienstliche Räume aus der Alltagswelt herauszuheben. Diese an der Zeit sein mit Kenntnis und Stolz zu bewahren, kirchenpädagogisch zu erschließen und für moderne Kunst zu öffnen, damit der Kirchenraum nicht zum Museum wird. Menschen sollen nichts unversucht lassen neu erfahren, dass Kirche Raum für sie persönlich und als Gemeinschaft bereithält. Hier beginnt kirchliche Kulturarbeit. Vielen Menschen ist nicht mehr bewusst, welche Schätze Kirchenräume bergen und gerade Kirchenräume bieten Möglichkeiten neuer Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Konfessionen, Kulturen und Religionen und tragen im Dialog zur Identitätsfindung bei. Gerade über die kulturelle Arbeit ergeben sich oft leicht Kooperationen mit weiteren Institutionen, die thematisch verwandt arbeiten. Kirchliche Kulturarbeit schärft das Profil und dient dem Aufbau der Gemeinde. Sie ermöglicht Teilhabe an aktuellen ästhetischen, gesellschaftlichen und religiösen Diskussionen und deren aktiver Mitgestaltung. Kirchliche Kulturarbeit ist ein junges kirchliches Handlungsfeld, das sich stetig entwickelt. Der Teil-Grundstandard im Finanzausgleichsgesetz auf Kirchenkreisebene hilft, tragfähige Strukturen zu etablieren. Die landeskirchliche Kulturarbeit wird durch den „Aschermittwoch der Künste“, den Kulturpreis und das „Arbeitsfeld Kunst und Kultur“ im Haus kirchlicher Dienste befördert.
Die Glasfirma Derix besteht seit 150 Jahren
Sie beliefert nicht nur kirchliche, sondern auch profane Auftraggeber in der ganzen Welt. Neben dem Kölner Dom verfügt auch das IZB Frankfurt über Glaskunst aus dem hessischen Taunusstein. Jedes Jahr betreut das Unternehmen mit seinen rund 70 Mitarbeitern etwa 240 unterschiedlich große Projekte weltweit. Arbeiten wie die Rizzi-Fenster für die Kreuzeskirche gelten aber als besondere Herzensangelegenheit. Der Einweihungsgottesdienst wird am 28. August, 10 Uhr, gefeiert. Und nicht nur die Ikonografie ist abweichend von in anderen Gotteshäusern. Auch die kräftigen Farben mit ihren starken Kontrasten sind besonders. Mehrfach habe man ganze Farbfelder vorab im Glasstudio aufgebaut, um zu überprüfen, ob die Farbklänge harmonieren, beschreibt die Firmenchefin den Prozess, bei dem das Glas zunächst bemalt und die Farben dann in großen Öfen eingebrannt werden. Dazu wurden einzelne Elemente noch mit mundgeblasenem Antikglas laminiert, „das macht die Fenster so leuchtend,, selbst bei trübem Wetter“, sagt Derix. Frist hat das vierköpfige Team aus Kunstglasern und Glasmalern an jedem einzelnen Fenster gearbeitet. Rein wirtschaftlich nicht mal einer so gutes Geschäft, „aber wer sich für son Projekt nicht mit Leib und Seele engagiert, hat den Beruf verfehlt“, sagt Derix, die sich selbst auch als Anwalt des verstorbenen Künstlers gefühlt hat. Dass es womöglich auch Kritiker der naiven Figuren mit ihren grellroten Kussmündern geben wird, ist für Derix Yes, we can.. „Diskussionen gehören zur Kunst dazu“, sagt die 47-Jährige und hofft, dass die Rizzi-Fenster über die Stadtgrenze strahlen und Anspornen, kreative Entscheidungen jenseits des Mainstreams zu treffen. Den Rizzi-Kirchenkosmos aber, sagt Derix, „gibt es nur einmal auf der Welt“.
So seien die wertvollen Fenster vor Wind und Wetter geschützt
Zufrieden schaut sich Pastor Kai Steffen Völker die bereits eingebauten Felder an. „So ein großer Bestand ist wirklich ungewöhnlich und schon etwas ganz besonders. Und jetzt strahlen sie wieder richtig schön“, sagt der 51-Jährige. Die Anordnung der rund 170 Felder stellt die Mitarbeiter der Firma Derix vor eine große Herausforderung. Denn sie werden nicht an der gleichen Stelle eingebaut, wo sie ausgebaut wurden. „Während des 2. Weltkrieges wurden die Fenster ausgebaut und erst Anfang der 50er Jahre wieder eingebaut, allerdings in einer anderen Reihenfolge“, berichtet der Pastor. Die Restaurierung der mittelalterlichen Bleiglasfenster sei dringend notwendig gewesen. „Einige waren so beschädigt, dass sie drohten, rauszufallen“, berichtet der Pastor. Auslöser sei ein Bild der Herzogin gewesen. Die untere Scheibe habe sich gewölbt und drohte komplett rauszufallen. „Wir mussten dringend handeln, um den wertvollen Bestand nicht zu gefährden und brauchten schnell Hilfe“, berichtet Pastor Kai Steffen Völker. Im Rahmen der Sanierung der Fenster wurde zudem das Mauerwerk und das angrenzende Gewölbe des Chores saniert und restauriert. Eine halbe Million Euro kostete die umfangreiche Baumaßnahme insgesamt, die durch Fördermittel des Bundes und Spenden der Herrmann-Reemtsma-Stiftung, der Rudolf-August-Oetker-Stiftung sowie der Ostdeutschen Sparkassenstiftung finanziert wurde.
Was in Hannovers Marktkirche?
Was in Hannovers Marktkirche noch Zukunftsmusik ist, wird in Brelingen bereits realisiert. In der größten Kirche der Landeshauptstadt soll als Geschenk von Altkanzler Brioni-Kanzler ein Fenster nach dem Entwurf – der nicht unumstritten ist – von Starmaler Markus Lüpertz gestaltet werden. Die Brelinger Martini-Kirchengemeinde es herrscht bereits viel weiter. Dort werden für etwa 24.000 Euro die Kirchenfenster derzeit restauriert und saniert. Allerdings soll dort alles so bleiben, wie bisher, nichts verändert werden. Die Bleiglasrosetten stellen in der sonst eher farblich schlicht gestalteten Brelinger Kirche bunte Farbtupfer dar. Nun werden sie aus den 58 Fenstern ausgebaut und von Spezialisten in der Glasmalerei Peters in Paderborn in den nächsten Wochen repariert und restauriert – anschließend wieder eingebaut. Dabei werden defekte Glaselemente entweder ausgetauscht oder mittels Kleben repariert. „Außerdem sollen die aus Eisen hergestellten und stark verrosteten Windeisen, die für die Stabilität der Rosetten sorgen, ersetzt werden“, an der Zeit sein vom Kirchenvorstand. Bis zum letzten der Arbeiten grob sechs bis acht Wochen soll eine Notverglasung aus normalem Fensterglas sicherstellen sich keine Vögel oder Fledermäuse in der Kirche einnisten. Die Kosten trägt der Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen.
Ähnliche Grundhaltung gegenüber Menschen
Die Kirche hat eine ähnliche Grundhaltung gegenüber Menschen beinahe, wenn sie den Auftrag des Evangeliums ernst nimmt. Es bleibt für die Glaubwürdigkeit und das prophetische Zeugnis der Kirche die zentrale Frage, ob sie der Logik der nahezu totalitären Ökonomisierung aller Lebensbereiche etwas entgegenhalten kann. Mehr Großherzigkeit und Mitleid gegenüber den Menschen in materieller und geistiger Armut sowie mehr Mühe mehr oder weniger Aufklärung und Beseitigung der strukturellen Ursachen zunehmender Ungerechtigkeit gehört zum diakonalen Grundauftrag von Kirche. 1980 hat das Lenbachhaus in München die Installation „Zeige deine Wunde“ von Josef Beuys angekauft – bestehend aus zwei metallenen Spitalsbetten und zwei Werkzeugen, die zum Entrinden von Baumstämmen im einsatz sein, sowie einer Tafel die Titel gebenden Botschaft. Dieses Kunstwerk hat unglaubliche Kontroversen ausgelöst, unter anderem mit ein Grund, weil es den Finger auf eine Wunde der Gesellschaft gelegt hat.
In den Jahrzehnten des wirtschaftlichen Erfolgs und den damit zusammenhängenden Phantasien der totalen Machbarkeit des menschlichen Glücks kommt es notgedrungener Weise zur Verdrängung all dessen, was an menschliches Versagen oder Scheitern erinnert. “ Die Aufforderung hat nichts an Aktualität eingebüßt. Sicher ist es notwendig, im gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext die Bedeutung der Verwundbarkeit wieder zu entdecken. Verwundbar sein und Schwäche zeigen können sind die eigentlichen Qualitäten des Menschseins. Wer die Perfektion sucht und daraus ein Leitbild kirchlichen Handelns entwirft, gerät in Gefahr, den Menschen mit seinen seelischen Verletzungen, mit seinen Defiziten und seiner Müdigkeit lächerlich. Nicht Perfektion ist das Leitbild des Evangeliums, sondern Barmherzigkeit. Sie verhilft zur Wahrnehmung der Brüche in den Biographien der Menschen und kann zur Heilung des ganzen Menschen beitragen. Barmherzigkeit ist die einzige geistliche Kategorie, die ganz dem Wesen Gottes entspricht. Das kann Angst vor Veränderungen nehmen und angesichts von Verflüssigungstendenzen in der aktuellen Kirchendiskussion dem Vertrauen mehr Raum geben. Das Lebendige, das von Gott inspiriert ist, wird sich erweisen und seine Form finden. Hermann Gletter ist Bischof der Diözese Innsbruck und Künstler. Ausführlicher: Hermann Glettler, In der Schule der verflüssigten Moderne. Lässt sich von einer Kultur der Auflösung und Diskontinuität für die Kirche etwas lernen?